Astronomie - down under
Reisebericht, Teil 1
Nationalflagge Australiens

Australien ist - zumindest für uns Mitteleuropäer - unvorstellbar (7,7 Mio. qkm) groß. Projiziert man Australien auf die Landkarte Europas, so reicht der fünfte Kontinent von Madrid bis Moskau und von Island bis Istanbul. Flächenmäßig ist Australien das sechstgrößte Land der Erde. Die bekannte Bezeichnung "Down under" (etwa "Unten drunten") stammt übrigens von der isolierten Lage des Landes tief unten in der südlichen Halbkugel. Diese südliche Lage ist natürlich auch für uns Sternfreunde sehr interessant, sieht man doch dort Himmelsgebiete von denen man in Europa nur träumen kann.

Die Grundlage dieses Berichtes bildet eine fünf- bzw. siebenwöchige Australienreise von fünf Personen, darunter neben mir noch zwei weitere Hobby-Astronomen. Am 22. Dezember 1993 ging's mit Lauda Air von Schwechat über Bangkok nach Sydney, wo wir ca. 20 Stunden später ziemlich gezeichnet vom Flug ankamen. Mit einem gemieteten Wohnmobil fuhren wir meist entlang der Küste innerhalb von etwas mehr als zwei Wochen von Sydney nach Adelaide, von wo wir nach Perth, der Hauptstadt Westaustraliens flogen. In zwei Wochen versuchten wir wieder mit einem gemieteten Wohnmobil soviel wie möglich von Westaustralien zu sehen. Dann war für drei Personen der Urlaub zu Ende, während für den Rest noch eine zweiwöchige "Wüstenexpedition" (Fahrt von Adelaide nach Alice Springs) auf dem Programm stand. Schließlich fand auch mit der Ankunft in Schwechat am 11. Februar 1994 für die restlichen zwei Personen der Urlaub sein Ende.

Ich will aber nicht genau die tatsächliche Reise beschreiben, sondern vielmehr eine fiktive Route, die für astronomisches Sightseeing optimiert ist, behandeln. Natürlich kommen dabei auch nichtastronomische Sehenswürdigkeiten nicht zu kurz, wenngleich sie in diesem Artikel naturgemäß nur am Rande erwähnt werden. Bevor wir uns aber jetzt endlich ins Geschehen stürzen noch ein wichtiger Tip für alle Sternfreunde, die ebenfalls ihren Urlaub einen astronomischen Touch geben wollen: Meldet Euch unbedingt bei allen geplanten Orten (Sternwarten, Planetarien, Raketenstartplätze, usw.) rechtzeitig vorher schriftlich (Fax, E-Mail) an. Bei dieser Anmeldung solltet Ihr Euch als interessierte Sternfreunde bzw. Vereine zu erkennen geben. Kommt Ihr unangemeldet zu einem Ort, dann werdet Ihr meist als normale Touristen bzw. Besucher eingestuft und der Besuch beschränkt sich aufs Visitorcenter (falls vorhanden!). Angemeldete Sternfreunde können dagegen mit Führungen "hinter die Kulissen" rechnen!

Anreise und erste Stationen

20 - das ist die magische Zahl unseres Australienurlaubes, denn 20 kg ist die Obergrenze für das Gepäck, welches man nach Australien mitnehmen darf. 20 kg sind für sieben Wochen nicht viel, und wenn man dann noch die diversen astronomischen Dinge berücksichtigt, ja dann kann der Check-In-Schalter schon mal zu einem beinahe unüberwindbaren Hindernis werden. Wir haben das Glück, daß die freundliche Dame beim Schalter überhaupt keine Gewichtskontrolle durchführt. Doch auch das Handgepäck hat es in sich, denn wer traut sich schon seinen Feldstecher, seinen Fotoapparat und/oder seine Videokamera ins normale Gepäck zu geben. Ziemlich bepackt steigen wir also unter den interessierten Blicken der Besatzung ins Flugzeug ein. Nach einigen Minuten ist unser Handgepäck verstaut und somit für die restlichen Passagiere kaum mehr Platz für ihr Gepäck. Nun kann es also losgehen in Richtung Süden.

Unsere erste und einzige Zwischenlandung gibt es nach mehr als 10 Stunden in Bangkok, der Hauptstadt Thailands. Eine Stunde dauert etwa der Bodenaufenthalt, gerade lang genug um sich die zahlreichen Geschäfte am Flughafen anschauen zu können. Weitere 10 Stunden später landen wir endlich an unserem Ziel: Sydney, Australien. Obwohl etwas geschafft vom langen Flug, erkunden wir sofort nach dem Aufsuchen unseres Hotels Sydney. Sehr eindrucksvoll ist das Wahrzeichen der Stadt, das Opernhaus. Sehenswert ist auch die Harbour Bridge gegenüber der Oper. Beide Bauwerke sollte man sich unbedingt auch in der Nacht nicht entgehen lassen. Drei Tage verbringen wir in Sydney, dies reicht - wie wir finden - vollkommen aus. Auch die Zeitumstellung (zehn Stunden vor der MEZ) können wir innerhalb dieser drei Tage bewältigen.

Nun ist es Zeit ein Auto zu mieten und Sydney in Richtung Norden zu verlassen. Nach 70 km Fahrt erreichen wir die Stadt Gosford, in deren Nähe das Freilichtmuseum Old Sydney Town liegt. Nach dem Besuch des Museums geht's vorerst weiter an der Küste entlang nach Norden und danach ins Landesinnere bis zur Stadt Narrabri, dem Zentrum der Baumwollproduktion. Narrabri hat ca. 7.250 Einwohner und liegt am Ufer des Namoi Rivers, 40 km westlich der Nandewar Ranges, in denen sich der Mount Kaputar National Park befindet. Dieser Park ist mehr als 40.000 Ha groß und vulkanischen Ursprungs.

Paul Wild Observatory

Nach einer ca. 24 km langen Fahrt in westliche Richtung erreichen wir das Paul Wild Observatory in Culgoora. Es ist Teil der ATNF (Australia Telescope National Facility), die von der CSIRO (= Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation) betrieben wird. Fünf Radioteleskope, angeordnet entlang einer 3 km langen Schienenstrecke, und eine sechste Antenne 3 km westlich davon bilden das Australia Telescope Compact Array. Alle sechs Teleskope haben einen Durchmesser von 22 Meter.

Das Observatorium ist auch die Heimat vom Solar-Radioheliographen der CSIRO. Die Steuerung und Verwaltung wird in einem Kontrollgebäude mit Büros, einer Bibliothek, Labors, Werkstätten und Unterkünften für das Personal sowie für Besucher durchgeführt. Zusätzlich zum Array befinden sich vor Ort noch das Stellar Interferometer der Universität Sydney (SUSI), das Ionospheric Prediction Service Observatory und die Solar Seismology Installation der Universität Birmingham.

Nachdem wir alles begutachtet haben, fahren wir weiter und kommen nach 120 km in die am Castlereagh River gelegene ca. 3000 Einwohner zählende Stadt Coonabarabran. Der etwas seltsame Name der Stadt stammt von den Aboriginies und bedeutet "neugierige Person". Holz, Weizen und Schafe gehören zu den Haupteinnahmequellen des Gebietes. Die touristische Hauptattraktion ist der etwa 40 km westlich gelegene Warrumbungle Nationalpark, dessen Höhen und Gipfeln Zeugen gewaltiger vulkanischer Eruptionen sind. Bevor wir jedoch zum Park gelangen, kommen wir zunächst nach 22 km zu einem Abzweiger zum Mopra-Radioteleskop, das wir nach kurzer Fahrt auch erreichen.

Das Mopra-Radioteleskop hat einen Durchmesser von 22 Meter Mopra-Radioteleskop

Die 22 m im Durchmesser große Schüssel ist ebenfalls - wie schon die Antennen in Narrabri - Bestandteil der ATNF. Sie wird einerseits gemeinsam mit anderen ATNF-Teleskopen - die sechs in Narrabri und eines in Parkes (siehe weiter unten) - benutzt, andererseits ist auch ein Einzelbetrieb möglich. Neben dem Teleskop gibt es noch ein Kontrollgebäude, welches auch Unterkünfte enthält. Der Name "Mopra" stammt übrigens vom Mopra Rock, einem mehr als 1000 m hohen Hügel ca. 2 km südwestlich des Teleskops.

Es ist nun Zeit unsere Fahrt von Coonabarabran zum Nationalpark fortzusetzen. Nach wenigen Kilometern unterbrechen wir unsere Fahrt schon wieder. Wir stehen nämlich am Eingang der wohl bekanntesten astronomischen Einrichtung Australiens, dem Siding Spring Observatory.

Siding Spring Observatory

Das Observatorium besteht derzeit aus acht Teleskopen. Vier davon gehören der Australian National University (ANU) und sind Teil der Mt. Stromlo & Siding Spring Observatories research school. Die ursprüngliche Mt. Stromlo Sternwarte wurde 1924 von der Bundesregierung errichtet. Da die Lichtverschmutzung am Mt. Stromlo durch die Nähe der australischen Hauptstadt Canberra immer mehr zunahm, entschied man sich 1962, alle weiteren astronomischen Aktivitäten nach Siding Spring zu verlegen. Mitte der 60er Jahre wurden drei Teleskope und die notwendige Infrastruktur (Wasser, Strom, Unterkünfte, asphaltierte Straßen) errichtet.

Das erste Teleskop hatte einen Durchmesser von 40 Zoll (1 m) und wurde 1964 fertiggestellt. Es wird hauptsächlich für die Himmelsfotografie mittels CCD-Kamera verwendet. Manchmal wird das Fernrohr auch mit einem Spektrographen genutzt. Neben einem 16 Zoll (40 cm) Fernrohr (hauptsächlich für visuelle Beobachtungen) hat die ANU auch noch ein 24 Zoll (60 cm) in Siding Spring, das für die Sternenfotometrie eingesetzt wird.

1984 wurde das größte ANU-Teleskop, das 2,3 m ATT (Advanced Technology Telescope) eröffnet. Es befindet sich in einem würfelförmigen Gebäude, arbeitet sowohl visuell als auch im infraroten Bereich und hat zahlreiche Spektrographen. Eigentlich soll dieses Fernrohr ein Prototyp für ein wesentlich größeres (bis zu 14 m Durchmesser) Gerät sein. Dieses Gerät kann jedoch erst gebaut werden, wenn genug Geld vorhanden ist.

Schon 1980 wurde das Schmidt Teleskop der Universität Uppsala (Schweden) vom Mt. Stromlo hier her gebracht. Es dient zur Entdeckung und Verfolgung von Asteroiden, speziell auch von solchen, die der Erde sehr nahe kommen. Auch die Universität von New South Wales hat ein Teleskop in Siding Spring, und zwar das Automated Patrol Telescope (APT), das jede Nacht eine große Anzahl von Galaxien überwacht, um mögliche Supernovae zu entdecken.

Seit den 50er Jahren verhandelten die Regierungen von Großbritannien und Australien unabhängig von den Aktivitäten in Siding Spring über den Bau eines sehr großen Teleskops. Als diese Verhandlungen 1969 abgeschlossen wurden, war die Infrastruktur in Siding Spring schon vollkommen vorhanden, was diesen Ort zum logischen Standort für das ausgehandelte 3,9 m Anglo-Australian Telescope (AAT) machte. 1974 konnte das AAT seiner Bestimmung übergeben werden. Obwohl es bereits 20 Jahre alt ist, gehört es nach wie vor zu den führenden Fernrohren der Erde. Das AAT besitzt zahlreiche unterschiedlichste Geräte zum Beobachten im visuellen Bereich und in der nahen Umgebung davon, sowie zur Spektroskopie. Weltweit bekannt sind die wunderschönen Farbbilder diverser Objekte des Südhimmels. Das riesige 3,9 Meter Anglo-Australian Teleskop

Das Gebäude des UK Schmidt Teleskops Während des Baus des AAT in den frühen 70er Jahren, errichtete das British Science Research Council 1 km nordöstlich vom AAT das UK Schmidt Telescope. Dieses Fernrohr ergänzt durch sein weites Gesichtsfeld (6 x 6°, sechsmal soviel wie das AAT) das AAT optimal. Nach der Fertigstellung im Jahre 1973 wurde dieses Teleskop vom Royal Observatory Edinburgh betrieben. Es ist größtenteils mit Langzeithimmelsdurchmusterungen beschäftigt. 1988 entschlossen sich Großbritannien und Australien, das AAT und das UK Schmidt Telescope im Anglo-Australian Observatory (AAO) zu vereinen.

Wir befinden uns im Visitor Center des AAO und warten auf eine Führung durch das AAT-Gebäude. Einige Minuten später ist es soweit: Wir fahren mit dem Auto zum gigantischen, 50 m hohen Kuppelgebäude, wo wir bereits von Darren Stafford erwartet werden. Das Gebäude selber hat eine Höhe von 26 m (ohne Kuppel), einen Durchmesser von 37 m und besitzt 9 Stockwerke (inkl. Teilstockwerke). Die Kuppel wiegt 560 Tonnen und kann in fünf Minuten mit 3,5 kW Gleichstrommotoren um 360° gedreht werden. Das Teleskop ist 15 m lang und wiegt 260 Tonnen (inkl. Montierung). Der Hauptspiegel hat einen Durchmesser von 3,893 m, ist 0,63 m dick (am Rand) und wiegt 16,19 Tonnen.

Ja, soweit die technischen Daten. Entsprechend eindrucksvoll verläuft dann auch die Führung. Von der riesigen Vakuumpumpe, die zum jährlichen Beschichten des Hauptspiegels (mit 2,5 g Aluminium) verwendet wird, bis hin zum sehr interessanten Computerraum können wir uns alles anschauen. Doch der Höhepunkt kommt zum Schluß: Wir betreten den Kuppelraum und vor uns steht das AAT - ein wahrhaft faszinierender Anblick! Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man unter dem Hauptspiegel herumwandert. Der Computerraum des AATs

Nachdem wir das AAT aus allen möglichen Positionen fotografiert und gefilmt haben, ist es nun Zeit, Abschied zu nehmen. Tief beeindruckt verlassen wir Siding Spring und machen noch einen Abstecher in den Warrumbungle Nationalpark. Als nächstes steht das 280 km entfernte Parkes, eine Stadt mit ca. 10.000 Einwohnern, die inmitten eines Gebietes, das vorwiegend von Schafzucht und Weizenproduktion lebt, liegt, auf dem Programm. Nahe der Ortschaft Alectown - etwa 25 km nördlich von Parkes - weist ein Wegweiser schon auf die nächste astronomische Sehenswürdigkeit unserer Reise hin.

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